In Reden, in Interviews, überhaupt: Wer in der Presse zitiert werden möchte, der bereitet sich vor. Das Grundrezept lautet: Es muss eine griffige, plakative und einfache Formulierung zum Einsatz kommen. Im September vergangenen Jahres sprach Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag über das Urteil des Bundesverassungsgerichts zum ESM und zum Fiskalpakt:
„Das ist ein guter Tag für Deutschland, und es ist ein guter Tag für Europa“
Der Redenschreiber der Kanzlerin griff also auf das gute alte Grundrezept zurück. Natürlich war diese Formulierung auch vorher schon im Umlauf. Seit dieser Rede im Bundestag aber breitet sich der „gute Tag für“ wie Masern im Kindergarten aus. Inzwischen könnte man einen ganzen Kalender damit füllen. Fast jeder Tag ist inzwischen gut für irgendetwas. Eine kleine Chronik.
Beginnen wir bei besagter Rede von Angela Merkel. Nach ihrem Zitat wurde auch die ARD-Sendung „Anne Will“ zum Thema benannt:
Das war am 12. September 2012. Was folgte, war eine beeindruckende Inflation. Nachfolgend ein Auszug aus einer kleinen Recherche in Pressemitteilungen und Artikeln. Und das sind nur die „guten Tage“!
- 12.09.2012 Ein guter Tag für mehr Stabilität in der Europäischen Union (Herrmann Gröhe, Generalsekretär CDU)
- 12.09.2012 Ein guter Tag für Europa (Philipp Rösler, FDP-Vorsitzender)
- 28.09.2012 Ein guter Tag für die Patienten in Deutschland (Gesundheitsminister Bahr im Bundestag)
- 08.10.2012 Ein guter Tag für Europa (Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz)
- 10.10.2012 Ein guter Tag für die deutsch-griechischen Beziehungen (Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz)
- 09.11.2012 Ein guter Tag für die Patientinnen und Patienten in Deutschland (Gesundheitsminister Bahr im Bundestag)
- 16.01.2013 Ein guter Tag für das Ehrenamt (Klaus-Peter Flosbach, finanzpolitischer Sprecher CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
- 16.01.2013 Ein guter Tag für den Klimaschutz, die Bürger, das Handwerk und den Mittelstand (Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
- 24.01.2013 Ein guter Tag für ein maßvolles, am Verbraucherschutz und Gemeinwohl ausgerichtetes Glücksspiel in Deutschland (Michael Burkert und Peter Jacoby, Vorsitzende des Deutschen Lotto- und Totoblocks)
- 06.02.2013 Ein guter Tag für die Meere (Sandra Altherr, ProWildlife)
- 14.02.2013 Ein guter Tag für Europa (Cem Özdemir, Bundesvorsitzender BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu Vorschlag zur Einführung Finanztransaktionssteuer)
- 17.02.2013 Ein guter Tag für Bayern (Johann Häusler, Landtagskandidat der Freien Wähler zu Volksbegehren gegen Studiengebühren)
- 21.02.2013 Ein guter Tag für Hohenlimburg (Peter Mager, Bürgerverein, zum barrierefreien Zugang zum Bahnhof)
- 05.03.2013 Ein guter Tag für den Klimaschutz (Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck)
- 13.03.2013 Ein guter Tag für die Verbraucher (SPD-Europaabgeordnete Steinruck zu europaweiter außergerichtlicher Streitschlichtung)
- 13.03.2013 Ein guter Tag für die Sicherheit in Deutschland (Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zu Verbot mehrerer salafistischer Vereine)
- 14.03.2013 Ein guter Tag für die contergangeschädigten Menschen in unserem Land (Max Straubinger, familienpolitischer Sprecher CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag)
- 15.03.2013 Ein guter Tag für die kommunale Demokratie in Niedersachsen (SPD-Abgeordneter Jürgen Krogmann (Oldenburg))
- 15.03.2013 Ein guter Tag für die parlamentarische Demokratie und die Bürgernähe in der Europäischen Union (Bernhard Kaster, parlamentarischer Geschäftsführer CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
- 16.03.2013 Ein guter Tag für Brunsbüttel (Lotsenältermann Michael Hartmann zu Nord-Ostsee-Kanal)
Der „gute Tag für…“ ist nur ein einzelner Baustein aus dem reichhaltigen Lager so genannter politischer Außerungen. Die stets mitgeführte Phrasendreschmaschine hat natürlich auch „kein guter Tag für…“, „ein schlechter Tag für…“ und alle daraus ableitbare Superlative im Angebot. Bald wird mir sicher die nächste überstrapazierte Floskel so sehr auf die Nerven gehen, dass es mich zu einem neuen Blogeintrag treibt. Ich lasse es Sie dann wissen.
Haben Sie noch einen „guten Tag“. Überall – nur bitte nicht in Ihrem Manuskript.