„Ändern“ kann jeder – jetzt wird „nachgebessert“

Das kommt Ihnen sicher bekannt vor: „Jetzt mit verbesserter Rezeptur“„Neu und noch besser“ oder „Besser als je zuvor“. Solche Sprüche stammen aus der Werbung und regelmäßig werden diese Aussagen widerlegt. Zum Beispiel durch foodwatch. Die Organisation stellte fest, dass die „verbesserte Rezeptur“ tatsächlich eine verschlechterte Rezeptur war.

In der Politik und in der Nachrichtensprache gibt es dieses Phänomen auch. Dort heißt es „Nachbesserungen“ – unter anderem zu bewundern in der Berichterstattung über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur so genannten Anti-Terror-Datei. Die Richter hatten im Kern die Gesetze als verfassungskonform erachtet, aber in einigen gesetzlichen Regelungen auch verfassungswidrige Punkte bemängelt. Und nun? Es wird „nachgebessert“.

So steht es jedenfalls auf BILD-ONLINE:

Das Gericht gab der Politik bis Ende 2014 Zeit, um die beanstandeten Regelungen nachzubessern.

Und auf ZEIT-ONLINE:

Teile verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen nachgebessert werden.

Bei n-tv ist es sogar die Datei selbst, die „nachgebessert“ werden muss – und nicht etwa die Gesetze, über die das Gericht zu befinden hatte:

Antiterrordatei braucht Nachbesserungen

Nur drei Beispiele von vielen.

Die „Nachbesserung“ ist ein verlockender Begriff. Er suggeriert Verbesserung. Obwohl es tatsächlich um Änderung geht. Denn ein geändertes Gesetz muss nicht unbedingt auch ein besseres Gesetz sein. Aber mit „nachbessern“ lässt sich das viel galanter verkaufen. Deshalb ist es kein Zufall, dass Politiker und andere Interessensvertreter lieber „nachbessern“ als ändern, vor allem wenn es um die eigene Sache geht.

Was sagt der Duden dazu?

Bedeutung: ausbessern; aufarbeiten; erneuern; in Ordnung bringen; instand setzen; reparieren; stopfen; überholen; wiederherstellen; zurechtflicken; (schweizerisch) instand stellen; (bildungssprachlich) restaurieren; (umgangssprachlich) aufmöbeln; [aus]flicken; in [die] Kur nehmen; wieder ganz machen; (besonders süddeutsch, österreichisch, schweizerisch) richten; (besonders Fotografie und Druckwesen) retuschieren; (Kindersprache, familiär) heil machen

Wortart: schwaches Verb

Der Begriff ist nicht neu im Nachrichtengeschäft. Er schwappt gern über Zitate in die Meldungen – und macht sich dann in der Redaktion selbstständig. Politiker, Verbände und andere interessierte Seiten nutzen – durchaus gezielt – diese verbale Nebelkerze. Vor allem im Wahlkampf werden oft „Nachbesserungen“ versprochen, auch wenn die sich später als Verschlechterungen entpuppen. Achten Sie doch mal darauf in den Debatten – z.B. über die Rente, Hartz IV und Steuergesetze. Und dann ersetzen Sie mal in Gedanken jede „Nachbesserung“ mit „Änderung„. Das klingt dann gleich ganz anders – und ehrlicher. Und so gehört es dann auch in das Nachrichtenmanuskript.

(Bild: Udo Stiehl)

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher

2 Kommentare zu “„Ändern“ kann jeder – jetzt wird „nachgebessert“

  1. udostiehl sagt:

    Das ist ein interessanter Hinweis, den ich gerne aufnehme. Vielen Dank.

  2. Uwe Winkler sagt:

    Sehr schöne Sammlung! Allerdings fehlt noch der meiner Beobachtung nach häufigste Fehler im Nachrichtendeutsch: der Umgang mit Haftstrafenurteilen nach dem Motto „Der Täter muss für 5 Jahre ins Gefängnis.“ Muss er eben nicht automatisch, da das deutsche Strafrecht die vorzeitige Haftentlassung kennt… Dennoch ist dieser Satz einfach nicht totzukriegen.

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