Geben Sie es zu – bekennen Sie sich zu ihrer Heterosexualität!

Thomas Hitzlsperger hat einen Schritt getan, der höchsten Respekt verdient. In Interview mit der Zeit spricht er erstmals über seine Homosexualität. Ein Thema, das im Männer-Fußball immer noch als Tabuzone gilt. Leider ist die Berichterstattung von einer zweifelhaften Wortwahl – möglicherweise ungewollt – geprägt:

„Thomas Hitzlsperger bekennt sich zu seiner Homosexualität“,

titelt die Zeit. Und auch viele andere Medien übernehmen diese Formulierung. „Sich zu etwas bekennen“ ist im Duden unterschiedlich definiert:

    1. offen zugeben, aussprechen; eingestehen
    2. Zeugnis für seinen Glauben ablegen
    1. zu jemandem, etwas stehen; überzeugt bejahen; für jemanden, etwas offen eintreten
    2. sich als jemand bezeichnen; sich für jemanden erklären
    3. sich eine bestimmte Eigenschaft zuerkennen und dafür einstehen; sich als etwas erklären

Aber was gibt es bei Homosexualität zu bekennen? 

Nichts. Durch den Einsatz von „bekennt sich zu“ wird suggeriert, Hitzlspergers sexuelle Ausrichtung sei etwas Besonderes, etwas Ungewöhnliches. Ist sie aber nicht. Der ehemalige Spitzensportler hat in diesem Zusammenhang nichts „zuzugeben„, „einzugestehen“ oder „zu bekennen„. Er hat nichts anderes getan, als über seine Homosexualität erstmals öffentlich zu sprechen.

Die Wortwahl ist deshalb mindestens ungeschickt. Machen Sie mal die Gegenprobe:

Beckenbauer bekennt sich zu seiner Heterosexualität

Was gibt es denn bei Heterosexualität zu bekennen? Eben. Auch nichts. 

Von der unglücklichen Wortwahl in der Berichterstattung abgesehen – Thomas Hitzlsperger hat einen mutigen Schritt getan. Und sein Ziel, die Debatte über den Umgang mit Schwulen im Fußball voranzutreiben, verdient größte Unterstützung. Dazu können die Medien beitragen – auch durch das Vermeiden zweifelhafter Formulierungen.

Dazu empfehle ich die Lektüre dieses Leitfadens des „Bundes Lesbischer & Schwuler JournalistInnen“.

(Bild: Udo Stiehl)

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher

8 Kommentare zu “Geben Sie es zu – bekennen Sie sich zu ihrer Heterosexualität!

  1. […] tagelang kaum ein anderes Thema. Dabei wurde nicht nur jede Menge Unsinn geschrieben, bisweilen ging auch sprachlich einiges daneben. Das ist häufig so, wenn über Homosexuelle berichtet wird: Da gibt es dann […]

  2. […] Geben Sie es zu – bekennen Sie sich zu ihrer Heterosexualität! (Udo Stiehl  via […]

  3. Holger Ruhl sagt:

    Ich finde schon, dass es etwas Besonderes ist, im Umfeld Profi-Fußball seine Homosexualität „offen auszusprechen“ bzw diese „überzeugt zu bejahen“. Dazu gehört Mut und der Wille, etwas zu ändern. Ich verstehe zwar den Ansatz (muss ich mich dazu bekennen, ein Mensch zu sein?), sehe aber die Wortwahl als nicht allzu daneben an.

  4. Egbert Manns sagt:

    Und die Pressemitteilung Hitzelsbergers wäre dann ein Bekenntnisschreiben … Die „Bekenntnisse“ zu Anschlägen fallen in die gleiche Kategorie.
    In der katholischen Kirche werden übrigens erstmal die Sünden bekannt (Confiteor). Von daher passte „Homosexualität bekennen“ ja verdammt gut …
    Im Ernst: Wir haben im Deutschen kein Wort, mit dem wir den Sachverhalt richtig gut zur Schlagzeile machen können. Ich vermute (!), dass „outet sich“ schon weit genug verbreitet ist, es trifft’s jedenfalls. Aber – hmm – ein Fremdwort? „Steht zu“ funktioniert nur auf Anfrage/Vorwurf. Vielleicht am besten keine Bezeichnung, sondern Doppelpunkt: „Hitzelsberger: Ich bin schwul.“ Oder einfach die Nachricht „Hitzelsberger ist schwul“ und alle bemerkten die Belanglosigkeit dieser Nachricht. 😉

  5. Sie schreiben: „Durch den Einsatz von “bekennt sich zu” wird suggeriert, Hitzlspergers sexuelle Ausrichtung sei etwas Besonderes, etwas Ungewöhnliches. Ist sie aber nicht.„ Damit argumentieren Sie so wie Regierungssprecher Seibert, nämlich daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Seibert hat sprachlich unelegant gesagt: „Wir leben in einem Land, in dem niemand Angst haben sollte, seine Sexualität zu bekennen nur aus Angst vor Intoleranz.” Richtig wäre gewesen: „Wir leben in einem Land, in dem immer noch viele Angst haben, ihre Sexualität zu bekennen, weil viele andere so intolerant sind. Das sollte nicht sein.“ Solange es aber so ist, kommt das öffentliche Sprechen über die eigene Homosexualität einem Bekenntnis gleich, gerade im Fußballmilieu.

  6. user unknown sagt:

    @Clara Himmelhoch: Aus dem Wunsch es möge doch allen egal sein ergibt sich nicht, dass es auch so ist. Das Bekenntnis ist ein Versuch dazu beizutragen, dass es den Leuten egal wird, dass nicht immer nur Friseure, Künstler, Tänzer usw. mit der Homosexualität assoziiert werden, und dass bornierte Fanhorden vielleicht korrumpierbar sind, und dem Idol im Verein zuliebe, der das wichtige Tor zur Meisterschaft oder gegen den Abstieg schoss, über ihren Schatten springen, und von den Haßgesängen und Verhöhnungen ablassen.

    Dass auch mehr Fans sich trauen ihre Vorlieben zuzugeben. Dass es normal wird.

    Was Sie gegen Pädophile haben, dass Sie es hier thematisieren müssen, ist nochmal ein anderes Thema – womöglich zum falschen Begriff gegriffen?

  7. user unknown sagt:

    Ich verstehe die Argumentation, aber denke man sollte sie für den Tag aufheben, da Homosexuelle nicht mehr ohne Ansehen ihrer Individualität, ihrer Leistung oder eines Verschuldens gemobbt werden, beleidigt und ausgegrenzt.

    Die Schwierigkeit das eigene Schwulsein überzeugt zu bejahen (2.1) existiert nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Umgebung der es eben nicht egal ist, die keine Bejahung wünscht, die es nicht sehen will.
    Zu etwas stehen trifft es doch sehr genau, finde ich.

  8. Tolle Überschrift. Ich finde es immer so wahnsinnig „beknackt“, wenn Sportler, Künstler, Politiker und sonstige Leute an ihrer sexuellen Orientierung gemessen werden. Das einzige Prädikat, was ich jemand auf die Stirn kleben würde, damit es alle sehen, hieße: „Ich bin ein Pädophiler“
    Hier http://clarahimmelhoch.wordpress.com/2013/11/27/leuchtigkeiten-und-sprichworter-27/
    habe ich auch irgendwie ausdrücken wollen, dass es eben nichts zu „bekennen“ gibt, wenn man oder frau jemand aus den eigenen Reihen liebt – das hat, (verdammt nochmal), allen egal zu sein!

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