Ist das nicht eine Dragqueen-Transen-Tunte?

Jedes Jahr, bevor der Eurovision Song Contest über die Bühne geht, passiert’s: Aus den Archiven werden die besonders auffälligen und außergewöhnlichen Momente des Wettbewerbs hervorgeholt. Zweifellos ist der Auftritt der israelischen Künstlerin Dana International dabei, denn sie verkörperte 1998 nicht nur die Sängerin des Siegerliedes Diva, sondern auch eine politische Botschaft. Genauso sicher wie der Ausschnitt aus der damaligen Übertragung aus Birmingham ist auch ihre fälschliche Bezeichnung als Drag-Queen. Das war und ist sie nicht:

Darauf machte kürzlich mein Kollege Lukas Heinser aufmerksam, dem ein Artikel der Huffington Post auffiel, und der mir damit die Anregung gab mal ein wenig Ordnung in das Durcheinander zu bringen:

Dana International ist in der Tat keine Drag-Queen, denn sie erfüllt dafür schon den wichtigsten Punkt nicht: Sie ist nämlich eine Frau. Das war sie nicht immer – geboren wurde Yaron Cohen als Mann. Aus ihr wurde dann Sharon Cohen, das Ergebnis von Yarons Entscheidung, das Geschlecht zu wechseln. Transsexuell nennt man das, und zwar unabhängig davon, ob auch operativ eine Geschlechtswandlung vorgenommen wurde. Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO geht es im Kern um die Umsetzung des Wunsches, als Angehöriger des anderen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden. Zur genaueren Unterscheidung, von wo nach wo der Wechsel stattfand, wird von Transfrauen (Mann-zu-Frau) und Transmännern (Frau-zu-Mann) gesprochen. Trockene Fakten, mit denen innerhalb der lesbisch-schwulen-trans-Community übrigens meist sehr entspannt umgegangen wird. Transe als Abkürzung ist kein Schimpfwort, auch wenn es nicht unbedingt in Nachrichtentexten besonders galant klingt.

Transsexuelle haben als Ausgangspunkt einen eindeutig definierten Körper, nämlich Frau oder Mann. Nun ist die Natur aber noch etwas komplizierter, denn sie hält auch Mischformen aus beiden Geschlechtern bereit: Intersexuelle Menschen, die Geschlechtsmerkmale beider Seiten aufweisen – das kann genetisch sein, aber auch anatomisch.

Und damit es noch etwas unübersichtlicher – aber damit auch präziser – wird, gibt es Menschen, die sich als Transgender betrachten und auch als solche akzeptiert werden wollen. Hier geht es bei der Definition etwas schwieriger zu: Einige sehen sich im Grundsatz den Transsexuellen zugehörig, andere folgen der Auffassung, keinem Geschlecht zuzugehören, weil sie prinzipiell eine Kategorisierung in Geschlechter ablehnen. Mehr Informationen zu den unterschiedlichen Lebensformen finden sie beim Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

Was ist aber denn nun mit den Drag-Queens? Das ist eigentlich die einfachste Frage: Plump gesagt sind es Kerle in Frauenklamotten, mehr nicht. Und auch hier gilt: Tunte ist kein Schimpfwort. Denn hier geht es weniger um ganze Lebensentwürfe, sondern nur um einen Rollenwechsel. Auch die sexuelle Orientierung spielt keine Rolle – es steht die Darstellung einer Frau durch einen Mann im Mittelpunkt. Das ganze firmiert auch gelegentlich als Travestie, vermutlich kennen sie Mary & Gordy. Georg Preuße und Reiner Kohler (der 1995 starb) waren in der achtziger Jahren in Deutschland gefeierte Bühnenkünstler. Und – auch wenn es eher selten vorkommt – es gibt auch die umgekehrte Variante: Frauen, die in die Rolle von Männern schlüpfen. Natürlich hat auch das einen Namen, nämlich Drag-Kings.

Falls Sie also vorhaben, zum Eurovision Song Contest über die vielzitierten „Paradiesvögel“ zu berichten – nur zu! Aber machen Sie sich vorher mit den Details der Künstler vertraut, schließlich möchten Sie bestimmt auch nicht als Wortkomponist bezeichnet werden, wenn Sie doch in Wirklichkeit Journalist sind.

 

(Bild: privat)

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher