Wenn die FIFA kurzfristig eine Pressekonferenz einberuft, dann muss da wohl etwas Wichtiges bevorstehen. Mit erhöhtem Puls drängen die Reporter in den Saal und warten auf Joseph Blatter. 18 Uhr lautet die angegebene Uhrzeit – 45 Minuten lässt der Präsident des Weltfußballverbandes noch verstreichen, dann hebt er zu seiner Stellungnahme an und tritt zurück, oder etwa nicht?
Nein. Joseph Blatter ist noch im Amt. Trotz aller Eilmeldungen, die das Gegenteil behaupteten.
Blatter zurückgetreten
wurde aus Zürich berichtet. Wie die Reporter auf diese Formulierung kommen, ist kaum nachzuvollziehen. Möglicherweise mangelnde Französisch-Kenntnisse, vielleicht auch nur die Nervosität, endlich auch mal im Rennen um die schnellste Eilmeldung zu siegen. Dann reicht aber die Zeit nicht, den Text ggfls. umzuschreiben – also kommt der alte Trick: Die Meldung wird „kalt“ geschrieben und muss nur noch mit einem Klick in die Medienumlaufbahn geschossen werden. Blöd nur, wenn Blatter nicht das sagt, was in der vorgefertigten Eilmeldung drinsteht. Denn er nimmt das Wort Rücktritt gar nicht in den Mund, sondern sagt – wie die Tagesschau dokumentiert – wörtlich:
Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlichen Wahl-Kongress niederzulegen. Ich werde meine Funktionen als FIFA-Präsident bis zu dieser Wahl weiter ausüben.
Mit sehr viel Phantasie könnte man behaupten, er habe irgendwas mit Rücktritt gesagt. Tatsächlich ist diese Passage unmissverständlich, vor allem mit dem zusätzlichen Hinweis Blatters, sein Amt bis zu dem außerordentlichen Kongress weiter auszuüben. Wer daraus die Meldung strickt, Blatter sei zurückgetreten, verbreitet schlicht eine Falschmeldung. Der FIFA-Präsident hat lediglich angekündigt, sein Amt aufzugeben – mehr nicht.
Übrigens war es ausgerechnet Joseph Blatter, der 2011 schon einmal behauptete, an einer weiteren Amtszeit kein Interesse zu haben. Und wer ließ sich drei Tage vor seiner Rücktritts-Ankündigung wiederwählen? Bingo!
Was schert ihn also sein Geschwätz von gestern? Aber noch wichtiger: Was scheren uns Falschmeldungen von gestern? Sie sind das Futter für die Trolle, die nur darauf warten, „den Medien“ und „der Presse“ einen weiteren Strick zu drehen – und sei es auch nur auf Basis eines Flüchtigkeitsfehlers oder einer misslungenen und unpräzisen Wortwahl. Ganz abgesehen davon, dass es einfach keine journalistische Glanzleistung ist, einen Rücktritt nicht von dessen Ankündigung unterscheiden zu können.
Vielleicht hält Joseph Blatter noch weitere Überraschungen bereit. Dann würde es allerdings etwas komplizierter und es stünde eine Debatte über den „Rücktritt vom Rücktritt“ an.
(Bild: Ausschnitt Titelseite Welt Kompakt v. 04.06.15)
Ich bin auch heute noch der Meinung, dass die Geschichte mit Blatter noch nicht zu Ende ist. Da kommt bestimmt noch mehr.