Verleger schlachten Depublikations-Regeln aus – nun auch SPIEGEL ONLINE

SPIEGEL ONLINE bietet neuerdings ein Nachrichten-Archiv an. Sämtliche Artikel sind dort nachträglich abrufbar – rückwirkend bis ins Jahr 2000. Eine tolle Sache. SPIEGEL ONLINE füllt damit eine Lücke aus, die die Zeitungsverleger extra für sich geschaffen haben. Öffentlich-rechtliche Anstalten dürfen so etwas nämlich nicht anbieten – obwohl die Kunden dafür bezahlt haben. Weiterlesen

Überleben im Stehsatz – vorproduzierte Nachrufe sind Redaktionsstandard

Das Mediengeschäft erscheint manchmal schon ein wenig makaber. Vor allem beim Blick in gewisse Text-, Bild- und Audiospeicher. Dort warten dutzende Vorproduktionen auf ihre Veröffentlichung. Prominente im fortgeschrittenen Alter dürfen sich sicher sein: Der Nachruf auf sie ist bereits sende- bzw. druckfertig. Alle Medien haben solche „Nachruf-Speicher“. Damit verrate ich kein Geheimnis. Das schnelle Nachrichtengeschäft erfordert es, auf mehr oder weniger vorhersehbare Fälle vorbereitet zu sein.

Trotzdem ist es natürlich peinlich, wenn die vorgefertigten Texte, Filme und Beiträge zu früh erscheinen. So wie gestern Abend auf der Internetseite der Nachrichtenagentur Reuters (s. Screenshot rechts):

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Boston – wenige Fakten, viele schmutzige Details

Ich muss noch einmal auf die Berichterstattung zu den Bombenanschlägen in Boston zu sprechen kommen. Noch gestern freute ich mich darüber, dass sachlich und zurückhaltend mit den langsam eintreffenden Informationen umgegangen wurde. Es gab wenig Spekulation. Es wurde nicht reißerisch formuliert. Es gab keine Sensationshascherei (außer bei den üblichen Verdächtigen). Leider hat sich das Blatt binnen 24 Stunden gewendet. Wieder sind es die langsam eintreffenden Informationen. Die sorgen aber nun dafür, dass mangels Fakten irgendwie sonst die Seiten gefüllt und die Sendeminuten bestückt werden. Weiterlesen

Die „Kampfsaison“ naht! – Do You Speak NATO? (3)

Die Nachrichtenagentur AFP blies am Freitag schon mal ins Horn: Von einer bevorstehenden „Kampfsaison“ war die Rede. Es ging aber nicht – wie ich zunächst vermutete – um den Auftakt der Wettkampfsaison in irgendeiner Sportart. Es handelte sich um eine Meldung über den Besuch des neuen US-Verteidigungsministers Hagel in Afghanistan. Und eben dort – so hieß es im Text – beginne die „Kampfsaison“. Dieser fragwürdige Begriff entstand aus einer – sagen wir mal – sportlichen Übersetzung.

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Pferdefleisch-Skandal mit falschem Etikett

Wenn Medien über ein Thema berichten, bildet sich rasch ein Schlagwort. Griffig muss es sein und wiedererkennbar. Damit es bei Lesern, Hörern und Zuschauern gleich hängen bleibt, wird das Schlagwort gerne mit „Skandal“ oder „Affäre“ verknüpft. Derzeit ist vom „Pferdefleisch-Skandal“ die Rede. Schnell hat sich der Begriff in Print, Hörfunk und Fernsehen festgesetzt. Dabei geht dieses Schlagwort am Kern der Geschichte komplett vorbei. Weiterlesen

Söldner als „US-Berater“ deklariert – Do You Speak NATO? (2)

Im September hatte ich schon eine gewisse Vorahnung, dass sich die „Inside-Attacks“ als neuer Begriff in die Nachrichtensprache einschleichen würden. Und tatsächlich: Sie tauchen wieder auf. SPIEGEL ONLINE vermeldet heute:

Erneut melden westliche Truppen in Afghanistan einen sogenannten „Angriff von innen“

WELT ONLINE trifft eine ähnliche Wortwahl:

„Angriff von innen“: Eine afghanische Polizistin hat einen US-Berater erschossen. Es war bei weitem nicht die erste Insider-Attacke in diesem Jahr.

Bei der NATO in Brüssel dürfte die Presseabteilung zufrieden sein. Das so genannte Wording hat funktioniert. Die Redaktionen haben die Wortschöpfung inzwischen übernommen. „Inside Attacks“ bezeichnet in der Sprache des westlichen Verteidigungsbündnisses den Angriff verbündeter Soldaten auf Kameraden in den eigenen Reihen. In den veröffentlichten Artikeln gibt es aber noch eine neue und versteckte Wortschöpfung aus dem Vokabular der NATO zu entdecken:

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Nichts los? – Komm, wir machen einen Liveticker!

„Nichts verpassen – mit dem Liveticker!“
Stimmt. Liveticker sind vor allem im Sport ungemein praktisch. Man kann das Ereignis nicht im Fernsehen verfolgen und fühlt sich trotzdem wie live dabei. Guten Liveticker-Autoren gelingt es sogar, die Qualität einer guten Rundfunkreportage zu erzielen. Und verbunden mit den vielen Ausspielmöglichkeiten über Smartphones kann man solche Ticker fast immer und überall nutzen.

Das hat den Liveticker in der jüngsten Zeit zum Renner bei Lesern, Verlagen und Sendern gemacht. Die Angebote muten noch aktueller an, das Image, „überall immer dabei“ zu sein, wird gesteigert. Weiterlesen