Freibier für alle im Nahverkehr

Die Bundesregierung verteilt entgegen anderslautenden Meldungen keine Geschenke. Öffentliche Verkehrsmittel sollen – und das auch nur in einigen Städten testweise – fahrscheinlos genutzt werden können. Kostenlos ist das nicht.Die Schlagzeilen klingen, als hätte jemand „Freibier!“ gerufen.

Kostenloser Nahverkehr

Gratis Bus und Bahn fahren

Kostenlos rechnet sich

Allerdings werden die Fahrzeuge künftig nicht vom Hersteller gespendet, die Motoren laufen nicht mit heißer Luft und Fahrerinnen und Fahrer wechseln auch nicht ins Ehrenamt. Nichts ist kostenlos im Nahverkehr, auch wenn keine Fahrkarten mehr benötigt würden. Schon jetzt werden viele Verkehrsbetriebe aus öffentlicher Hand bezuschusst. Fielen die Einnahmen durch Fahrkarten weg, müssten diese zusätzlich von der Allgemeinheit ausgeglichen werden.

Stimmt nicht, aber egal

Und obwohl das alles in den Redaktionen bekannt sein dürfte, lockt der Reiz so sehr: „Kostenloser ÖPNV“ und „Gratis-Buslinien“ wirkt einfach spannender und klickt besser, auch wenn es komplett falsch ist. Und zugegeben: Fahrscheinloser Nahverkehr klingt tatsächlich nicht sonderlich attraktiv in einer Schlagzeile, es ist aber zumindest die korrekte Bezeichnung. Es wird eben nichts verschenkt, nur die Kosten werden anders umgelegt. Man könnte also auch von einem „öffentlich finanzierten Nahverkehr“ schreiben.

„Kostenlos“ lässt sich ohnehin nicht toppen

Der „kostenlose Nahverkehr“ ist so wenig gratis, wie Straßen und Autobahnen, die aus Steuergeld finanziert sind oder öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der weder „kostenlos“ sendet, noch „kostenlos“ etwas ins Netz stellt. Es ist eben schon vorher bezahlt worden von allen.

Alte Idee, neue Verpackung

Wahrscheinlich wird der „kostenlose Nahverkehr“ zum Symbolbegriff werden und damit noch lange Zeit eine irreführende Bezeichnung sein für etwas, das nicht gratis ist, egal wie groß man es drauf schreibt. Und: Die ganze Idee ist nicht neu. Sie wurde schon vor Jahren von den „Piraten“ vorgestellt, damals jedoch mit der ehrlichen Aufschrift „fahrscheinloser ÖPNV“. Was wohl passiert wäre, wenn sie „kostenlos“ gesagt hätten? Möglicherweise wäre der Partei ob der Wortwahl größte Realitätsferne oder gar Lüge vorgeworfen worden.

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher

Ein Kommentar zu “Freibier für alle im Nahverkehr

  1. Seit die Wall AG Berlin im Jahr 2012 kostenloses WLAN geschenkt hat, wundert mich gar nichts mehr …
    https://textundsinn.wordpress.com/2012/08/10/kostenloses-wlan-zu-verschenken/
    (Die verlinkte Seite führt inzwischen leider ins Nichts, aber wenn man „WALL AG kostenloses WLAN“ googelt, gibt es zahlreiche Treffer – die ebenfalls ins Nichts führen. Wahrscheinlich hat die WALL AG schnell gemerkt, daß das angeblich kostenlose WLAN die Firma schnell in den Ruin treiben würde. Irgend jemand muß die Kosten ja tragen.)

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