Endet die professionelle Distanz an einer Wasserleiche?

Es löste einen Sturm der Entrüstung aus, als die österreichische Kronen-Zeitung ein Foto mit toten Flüchtlingen veröffentlichte. Das Bild, das unverpixelt die Leichen auf der Ladefläche eines LKW zeigt, wurde auch von der Bild-Zeitung in Deutschland abgedruckt. Es sei ein „Dokument der Zeitgeschichte“, erläuterte die Bildunterschrift. Nun ist ein neues Foto auf dem Markt. Eine Kinderleiche liegt am Strand. Weiterlesen

Der Tod von Tugce A. – Medien „ermitteln“

Am 15. November stürzt eine 22-jährige Studentin in Offenbach zu Boden, erleidet schwere Kopfverletzungen und fällt ins Koma. Knapp zwei Wochen später entscheiden ihre Eltern, die Maschinen an ihrem Bett auf der Intensivstation abzuschalten. Es geht um Tugce A., die vor einem Schnellrestaurant von einem Mann geschlagen worden sein soll. Sie habe vorher zwei Mädchen beigestanden, die von ihm angeblich bedrängt wurden. Der Fall geht durch die Presse. Mit viel Emotion und wenig Fakten: Weiterlesen

Ebola löst Panik-Epidemie in Redaktionen aus

In Kanada ist ein Patient auf eine Isolierstation verlegt worden. Es besteht der Verdacht auf eine Ebola-Infektion. An diesem eher nachrichtenarmen Morgen reichte das aus für eine veritable Epidemie. Sehr ansteckend und vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht heilbar. In Teilen der Presse brach die Panik-Epidemie aus:

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Wir treten auf die Schönfärb-Bremse

Politiker sind in ihrer Arbeit meist auch in der Rolle des Verkäufers. Ein Vorschlag braucht das passende Etikett. Erste Voraussetzung: Eine griffige, kurze Bezeichnung muss her. Zweite Hürde: Sie muss positiv klingen und aktiv. Und wenn das sprachliche Strickmuster einmal erfolgreich war, dann wird es zum Standard erhoben – leider auch in vielen Redaktionen: Weiterlesen

Zugausfälle in Mainz lösen Redaktions-Chaos aus

Im Mainzer Hauptbahnhof halten weniger Züge, weil das Stellwerk nicht mehr ausreichend personell besetzt ist. Seit Tagen ist deshalb in Print, Funk und Fernsehen von „Bahn-Chaos“ (sueddeutsche.de), „Chaos in Mainz“ (welt.de) und „Mega-Chaos“ (bild.de) die Rede. Tatsächlich aber ist das viel zitierte Chaos ganz woanders ausgebrochen – nämlich in den Redaktionen.

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Boston – wenige Fakten, viele schmutzige Details

Ich muss noch einmal auf die Berichterstattung zu den Bombenanschlägen in Boston zu sprechen kommen. Noch gestern freute ich mich darüber, dass sachlich und zurückhaltend mit den langsam eintreffenden Informationen umgegangen wurde. Es gab wenig Spekulation. Es wurde nicht reißerisch formuliert. Es gab keine Sensationshascherei (außer bei den üblichen Verdächtigen). Leider hat sich das Blatt binnen 24 Stunden gewendet. Wieder sind es die langsam eintreffenden Informationen. Die sorgen aber nun dafür, dass mangels Fakten irgendwie sonst die Seiten gefüllt und die Sendeminuten bestückt werden. Weiterlesen

Die „Kampfsaison“ naht! – Do You Speak NATO? (3)

Die Nachrichtenagentur AFP blies am Freitag schon mal ins Horn: Von einer bevorstehenden „Kampfsaison“ war die Rede. Es ging aber nicht – wie ich zunächst vermutete – um den Auftakt der Wettkampfsaison in irgendeiner Sportart. Es handelte sich um eine Meldung über den Besuch des neuen US-Verteidigungsministers Hagel in Afghanistan. Und eben dort – so hieß es im Text – beginne die „Kampfsaison“. Dieser fragwürdige Begriff entstand aus einer – sagen wir mal – sportlichen Übersetzung.

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Ja, ist das denn die Möglichkeit?!

„Nichts ist unmöglich!“ – das galt im Werbeslogan eines Autoherstellers und wirkt noch immer in die Redaktionen hinein. Sobald es um einen Verdacht geht, kommt das Zauberwort „möglicherweise“ zum Einsatz.  Die Formulierung ist praktisch: Mit ihr lässt sich geschickt jede Vermutung so verpacken, als sei sie bereits bewiesene Tatsache. Außerdem ist sie unverbindlich. Es könnte ja auch anders sein. Aber „möglicherweise“ eben doch so wie spekuliert. Jetzt noch geschickt eine Kombination mit einem vermeintlichen „Skandal“ – und fertig ist die perfekte Schlagzeile: Wie zum Beispiel diese auf WELT ONLINE:

Möglicherweise neuer Organspenden-Skandal in Leipzig

Möglicherweise auch nicht.

Möglicherweise stürzt morgen auch eine Boeing 747 auf Gelsenkirchen. Nichts ist unmöglich. Es gibt allerdings – nicht nur möglicherweise – präzisere Formulierungen.

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Pferdefleisch-Skandal mit falschem Etikett

Wenn Medien über ein Thema berichten, bildet sich rasch ein Schlagwort. Griffig muss es sein und wiedererkennbar. Damit es bei Lesern, Hörern und Zuschauern gleich hängen bleibt, wird das Schlagwort gerne mit „Skandal“ oder „Affäre“ verknüpft. Derzeit ist vom „Pferdefleisch-Skandal“ die Rede. Schnell hat sich der Begriff in Print, Hörfunk und Fernsehen festgesetzt. Dabei geht dieses Schlagwort am Kern der Geschichte komplett vorbei. Weiterlesen