Sicherheitshinweis: Lassen Sie Ihre Nachrichten nicht unbeaufsichtigt

Die Huffington Post Deutschland sollte den Nachrichtenjournalisten eine Warnung sein. Denn was dort unter dem Etikett „Nachrichten“ angeboten wird, ist eine Mogelpackung. Diese Verpackungsform ist nicht neu. Aber die Huffington Post Deutschland geht besonders dreist vor. Wer auf der Strecke bleibt, ist der Leser.

„Die HuffPost Deutschland wird schonungslos aus der Politik und dem deutschen Nachrichtengeschehen berichten“,

kündigt Arianna Huffington in ihren Grußwort an. Das klingt gut. Nur: Das einzig schonungslose in ihrer neuen Depesche ist der Umgang mit den Lesern. Denen wird nämlich vorgegaukelt, ein „Nachrichten-Portal“ auf dem Schirm zu haben. Tatsächlich aber verbergen sich hinter den Artikeln in vielen Fällen keine journalistischen Leistungen mit Nachrichtenwert.

Wenn – wie zum Start der Huffington Post Deutschland am 10. Oktober – René Obermanns Text der Aufmacher ist und der Top-Manager über

„Das Netz der Zukunft“

schreibt, dann ist das nichts anderes als Werbung für die Deutsche Telekom. Obermann ist Vorstandsvorsitzender des Unternehmens.

Und wenn Alexander Medwedew erläutert,

„Wie Erdgas zur Verkehrswende in Europa beitragen kann“,

dann ist das nichts anderes als Werbung für den russischen Konzern Gazprom. Medwedew ist Vorstandsvorsitzender des Unternehmens.

Die Liste könnte nahezu stündlich verlängert werden. Als „Werbung“ sind diese Beiträge nicht gekennzeichnet. Ebenso fehlt Meinungsartikeln der Hinweis „Kommentar“, um sie vom redaktionellen Teil erkennbar abzugrenzen. Den Lesern wird alles als „Nachrichten“ verkauft. Ist ja schließlich ein „Nachrichtenportal“, das sich zum Ziel gesetzt hat, rasch zu den größten drei Anbietern in Deutschland aufzusteigen.

Der Kollege Stefan Niggemeier hat in seinem Blog bereits sehr treffende Worte zur neuen Huffington Post Deutschland gefunden – insbesondere auch, was den Umgang dieser Seite mit ihren Autoren angeht. Die werden nämlich nicht bezahlt. Und sie treten dazu noch nahezu sämtliche Rechte ab, wie der Deutsche Journalisten-Verband erläutert.

Was in der bisherigen Diskussion nur am Rande betrachtet wurde: Die Huffington Post Deutschland sollte allen Nachrichtenjournalisten eine Warnung sein. Was wir als Redakteure auf den ersten Blick entlarven, ist für Leser so leicht nicht zu erkennen. Erst recht nicht, wenn zwischen der getarnten Werbung und den Lobbyisten-Beträgen tatsächlich tagesaktuelle Meldungen auftauchen. Was macht das mit der Glaubwürdigkeit echter Nachrichten-Seiten? Wie wirkt sich das aus auf journalistische Ansprüche?

Natürlich sind Leser, Hörer und Zuschauer nicht dumm. Sie werden merken, was da gespielt wird. Unterschwellig aber wird durch die falsche Etikettierung der Begriff von Nachrichten verwässert. Das könnte dazu führen, dass echte Nachrichten, die nach sauberen journalistischen Kriterien erstellt werden, unter Generalverdacht geraten. Und der Berufsstand gleich dazu.

Eine gefährliche Entwicklung, denn gerade das Nachrichtengeschäft steht auf dem Fundament der Glaubwürdigkeit. Dieses Vertrauen in die journalistische Arbeit wird schwinden, wenn ordentlich recherchierte Meldungen im Medienwettbewerb durch Massen an unredigierten PR-Texten und Schleichwerbung im Gewand von Nachrichten verdrängt werden.

Dem Glaubwürdigkeitsverlust vorzubeugen ist deshalb noch ein Stück wichtiger geworden. Und das ist eigentlich nicht schwierig.

Das nachrichtliche Handwerk muss wieder anständiger gemacht werden. Dazu zählt auch, sich nicht von der rasanten Geschwindigkeit der vermeintlichen „Nachrichten-Ticker“ im Internet treiben zu lassen. Und nicht jeder Eilmeldung der Agenturen hinterherzuhecheln. Das ist Schaulaufen vor der eigenen Zunft: Hier, wir hatten das zuerst in der Sendung, bei der Konkurrenz kam die Meldung erst später. Erstens gibt es keine Hörer, die mehrere Nachrichtensendungen gleichzeitig verfolgen. Und zweitens ist die etwas später gesendete Meldung in der Regel fundierter und das bessere Nachrichtenangebot. Da war nämlich auch Zeit zum recherchieren.

Wenn dazu noch das Netz der Themenauswahl gröber gewebt wird, dann bleiben darin auch nur die Ereignisse hängen, die wirklichen Nachrichtenwert haben. Und die können dank der gewonnen Zeit entsprechend journalistisch aufbereitet und dann weitergegeben werden.

Ja, dann taucht nicht alle paar Minuten eine neue Geschichte auf der Homepage auf. Ja, dann unterscheidet sich nicht immer die nachfolgende Sendung komplett von der vorherigen Ausgabe. Aber wir liefern ein ehrliches und ordentliches Produkt, das glaubwürdig ist und das Vertrauen in unsere Nachrichtenarbeit stärkt. Klasse statt Masse.

Darüber sollten wir mehr öffentlich sprechen. Unseren Lesern, Hörern und Zuschauern die Augen öffnen, was ihnen alles unter dem Etikettenschwindel „Nachrichten“ untergejubelt wird. Inzwischen geschieht das zum Glück bereits häufiger. Medienmagazine geben in allen Formaten Einblicke in das Geschäft und leuchten auch in die dunkleren Ecken. Noch schöner wäre es, wenn diese viel zitierte Medienkompetenz schon in der Schule eine größere Rolle spielen würde, oder auch in Kindersendungen.

Die Huffington Post Deutschland wird sich, auch dank ihres starken Financiers, am Markt halten können. Wir sollten ein starkes Stück Nachrichtenarbeit dagegen setzen.

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher

2 Kommentare zu “Sicherheitshinweis: Lassen Sie Ihre Nachrichten nicht unbeaufsichtigt

  1. […] nun noch ein Sicherheitshinweis. Zur Huffington Post siehe aber auch […]

  2. Friederike sagt:

    Meine Rede: Medienkompetenz schon in die Schulen! Ich bin immer wieder erschüttert, wie wenig Leser und Hörer tatsächlich vom Geschäft der Medien verstehen und alles für bare Münze nehmen, was da wo-auch-immer feilgeboten wird. Auch deswegen wird sich die Huffo halten können.

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