Der angekündigte Wille

Böse Zungen sprechen manchmal vom „Ankündigungsminister“ – also einem Politiker, der nur seine Absichten verkündet, nichts davon jedoch in die Tat umsetzt. Diese bösen Zungen sind nicht selten auch in Redaktionen anzutreffen. Bei genauerem Hinsehen muss man feststellen: Nicht der zitierte Politiker trägt stets Schuld am Image des „Ankündigungsministers“ – es sind oft die Redakteure selbst, die ihn sprachlich erst dazu machen. Der Teufel steckt im Detail:

Walter Döring (FDP), der frühere Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, wurde wörtlich zitiert:

„Ich will die Südwest-FDP als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl 2013 führen. Ich kandidiere daher um Platz eins der FDP-Landesliste – und nur darum.“ (Spiegel Online)

Und was wurde daraus im Teaser-Text?

Der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (…) kündigte an, gegen Homburger antreten zu wollen. (Spiegel Online)

Lupe raus! Er kündigte also an, etwas zu wollen. Und jetzt mal kurz auf der Zunge zergehen lassen. Kann man wirklich einen Willen ankündigen? Korrekterweise muss es also heißen:

Der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (…) kündigte an, gegen Homburger anzutreten.

Die Absichtserklärung wurde von der Redaktion in eine Willensankündigung umgewandelt. Aber: Einen Willen kann man nicht ankündigen. Sehr wohl kann man einen Willen z. B. bekunden oder unterstreichen. Dann ist der Wille aber schon vorhanden. Einen Willen anzukündigen setzt dagegen hellseherische Fähigkeiten voraus.

(Bild: Udo Stiehl)

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Redakteur und Sprecher

6 Kommentare zu “Der angekündigte Wille

  1. schwertlilie sagt:

    @Jörg: Natürlich ist die Aussage falsch, man könne keinen Willen ankündigen. Ich kann ankündigen, was ich möchte. Ob die Ankündigung inhaltlich richtig ist, ist eine ganz andere Frage.
    Ich kann das gerne an einem anderenBeispiel deutlich machen: Wenn der Sprecher einer Partei ankündigt, ein bestimmter Politiker ginge als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl, beschwert sich auch kaum jemand darüber, dass die Aussage sprachlich ungenau ist, obwohl sie im Regelfall vor der Wahl getroffen wird und die inhaltliche Richtigkeit folglich nicht feststehen kann.

    Auch ob Journalisten gerne unbedeutende Fullwörter und Nebensätze verwenden, ist bei der Frage der Richtigkeit der Aussage nicht relevant. Wenn man sich ansprachlichen Ungenauigkeiten stört, sollte man es richtig machen.
    Ich kann übrigens auf eine weitere falsche Aussage im Blogbeitrag eingehen: Nimmt man die Aussage Dörings wörtlich, kündigt er gar nichts an und er bezieht sich auch nicht auf ein zukünftiges Ereignis. Vielmehr teilt er mit, zum aktuellen Zeitpunkt zu kandidieren, da er sprachlich Formen der Gegenwart verwendet. Merkwürdigerweise wird diese sprachliche Ungenauigkeit aber zwanglos richtig interpretiert.

  2. Auch ich freue mich, daß noch andere sich an diesem Blähdeutsch stören. In meinem Sprachblog habe ich auch schon mehrfach auf den falschen Gebrauch der Modalverben hingewiesen:

    http://textundsinn.wordpress.com/2013/03/30/hilfsverben/
    http://textundsinn.wordpress.com/2013/07/31/modalverben-die-2/
    http://textundsinn.wordpress.com/2013/08/01/modalverben-die-3/
    http://textundsinn.wordpress.com/2013/11/07/john-kerry-will/

    Ich vermute, daß ein Grund für diesen Fehler in der falschen Übersetzung von (englisch) „I will“ mit „Ich will“ liegt, aber das ist wohl zu kurz gegriffen, weil auch über Deutsche so berichtet wird und der Mißbrauch mit allen Modalverben getrieben wird.

  3. Jörg sagt:

    Schön, wenn man merkt, dass man doch nicht der einzige ist, der allerorten in Nachrichtentexten grassierendes Dummdeutsch sieht. Und nein, schwertlilie, das ist nicht falsch. Es geht ja hier darum, dass offenbar Journalisten entweder die indirekte Rede nicht beherrschen oder zwanghaft Füllwörter einstreuen, weil sie dann vermeintlich mehr zu sagen haben.

    Übrigens, Haha, vermeintlich. Können ca. 79 % der deutschen Journalisten auch nicht richtig verwenden und schreiben es, wo es eigentlich „mutmaßlich“ heißen müsste. Bei „den Unterschied zwischen ‚anscheinend‘ und ’scheinbar‘ nicht kennen“ beträgt der Prozentwert glaube ich sogar 80,2 %.

  4. Jan Drees sagt:

    „Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere.“
    Thomas Mann

  5. Statistiker sagt:

    Die Formulierung, „gegen Homburger antreten zu wollen“ ist dann korrekt, wenn noch gar nicht feststeht, ob der oder die oder das Homburger überhaupt gegen Herrn Döring zur Wahl antritt.

    Übrigens kündige ich an, morgen einkaufen zu wollen. (unter der conditio, dass es nicht stürmt….)

  6. schwertlilie sagt:

    Streng genommen ist das falsch. Ich kann ohne weiteres auch ohne hellseherische Fähigkeiten ankündigen, in Zukunft etwas zu wollen. Und so kann man ohne Probleme auch die Aussagen von Politikern verstehen: Sie kündigen einerseits an, bei der Wahl gegen jemanden anzutreten; gleichzeitig kündigen sie aber auch an, das zum maßgeblichen Zeitpunkt – dem Zeitpunkt ihrer „offiziellen“ Aufstellung – auch zu wollen. Ob dieser Wille zum Zeitpunkt der Aufstellung tatsächlich noch vorhanden ist, ist für die Ankündigung nicht maßgeblich. Im Übrigen setzt die Ankündigung, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Willen zu haben, nicht mehr hellseherische Fähigkeiten voraus als die Ankündigung, gegen jemanden anzutreten. Wenn sich die tatsächlichen Umstände bis zur Wahl ändern – etwa durch Tod, politischen Druck o.ä. – wird der Politiker trotz seines jetzigen Willens nämlich zum maßgeblichen Zeitpunkt – der Wahl – nicht gegen einen anderen Politiker antreten.
    Zwar kann man – mit sehr viel Kleinlichkeit – kritisieren, dass die o.g. Beispielaussage nicht korrekt wiedergegeben wurde; die Ungenauigkeit in der Sprache bleibt aber.

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