Tödliche Kandidatur

Schon wieder so ein dunkles Thema. Ja. Aber gerade im Zusammenhang mit dem Tod und der Berichterstattung darüber geht die Pietät manchmal verloren. Die Todesstrafe wird noch immer in einigen Ländern nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt. Es ist gut, dass darüber berichtet wird und die Debatte über dieses Strafmaß nicht abreißt. Die Wortwahl bei der Umschreibung des Verurteilten sollte allerdings auch mal diskutiert werden.

Ein Leser machte mich auf die Berichterstattung Mitte des Monats über eine Hinrichtung in den USA aufmerksam und stellte die berechtigte Frage, warum denn der Häftling als Todeskandidat bezeichnet wird. Ich muss zugeben, dass auch mir das bisher nicht aufgefallen war. Der Begriff Todeskandidat klingt in der Tat durchaus harmlos – und spätestens nach vollzogener Hinrichtung sogar zynisch. Zeichnet einen Kandidaten nicht gemeinhin aus, dass noch keine Entscheidung gefallen ist?

„Hinrichtung in Ohio: Neue Giftspritze ließ Todeskandidaten zehn Minuten leiden“

titelte Spiegel Online. Im weiteren Text kommt der „Kandidat“ erfreulicherweise nicht mehr vor.

Die FAZ online meidet den Begriff des Todeskandidaten fast vollständig und macht die Meldung so auf:

„Häftling ringt lange mit dem Tod“

Einzig im letzten Satz ist einmal vom „Todeskandidaten“ die Rede – der Text basiert allerdings auf einer AFP-Meldung und die Passage ist auch in anderen Berichten so zu finden.

Dass der Begriff verzichtbar ist, zeigen die vielen Synonyme, die in den Artikeln verwendet werden:

  • der Verurteilte
  • der zum Tode verurteilte
  • der verurteilte Mörder
  • der Häftling
  • der Hingerichtete

Wie gehen Sie in Ihrer Redaktion mit dem Wort „Todeskandidat“ um?

(mit Dank an Fabian Schmidt für den Hinweis, Bild: Susanne Peyronnet)

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher