Datenklau, Datendiebstahl oder ist beides falsch?

Es begann mit einer einfachen Stilfrage: Klingt Datenklau zu flapsig in einer Nachrichtenmeldung? Datendiebstahl ist nur eine Silbe länger, aber doch sehr viel eleganter. Kaum hatte ich diesen kleinen Hinweis gewittert, regte sich Widerspruch: Beide Begriffe seien falsch, denn streng genommen handele es sich nicht um Diebstahl, sondern um illegales Kopieren. Die Suche nach Alternativen ist mühsam – und unser Gastautor Simon Hurtz erklärt, warum:

Wenn sich „kriminelle Hacker“ die Zugangsdaten von Mail-Accounts aneignen, dann sprechen Medien gerne von „gestohlenen“ Daten. Auch ein Datenschützer wie Thilo Weichert verwendet den Begriff „Identitätsdiebstahl“, der Netzpolitiker Konstantin von Notz bezeichnet das Vorgehen als „Datenklau“.

Google findet für das Wort „Datendiebstahl“ derzeit mehr als 300.000 Erwähnungen, beim Suchbegriff „Datenklau“ sind es viermal so viele. Inhaltlich falsch sind sie beide.

Laut Strafgesetz ist ein Dieb jemand, der

„eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“.

Diese Definition leuchtet bei begrenzten, materiellen Gütern ein: Nehme ich jemandem sein Fahrrad weg, dann muss er zu Fuß gehen. Komplizierter wird es, wenn es um Dinge geht, die unbegrenzt zur Verfügung stehen. Niemand würde auf die Idee kommen, einen um Atem ringenden Sprinter anzuzeigen, weil er seinen Mitmenschen den Sauerstoff stiehlt.

Simon Hurtz lebt in Friedrichshafen, studiert Soziologie, Politik und Wirtschaft und hat die Deutsche Journalistenschule besucht. Auf Twitter ist er als @simonhurtz aktiv.

Simon Hurtz lebt in Friedrichshafen, studiert Soziologie, Politik und Wirtschaft und hat die Deutsche Journalistenschule besucht. Auf Twitter ist er als @simonhurtz aktiv.

Die Digitalisierung hat einen in der Menschheitsgeschichte einmaligen Zustand geschaffen

Plötzlich sind unendliche viele Kopien möglich, da sich Daten von ihren physischen Trägern gelöst haben. Die Vervielfältigung kostet nichts – und niemandem fehlt danach etwas. Trotzdem sind „Datenklau“ und „Datendiebstahl“ zu gängigen Begriffen geworden. Das kann man bedauern, aber man wird es schwerlich andern können. Die Frage ist, wie Journalisten am besten damit umgehen. Eigentlich sollten Menschen, die mit Sprache ihr Geld verdienen, Wert darauf legen, diese korrekt anzuwenden.

Wer im Zusammenhang mit Daten von Diebstahl spricht, überträgt einen Ausdruck aus der analogen Welt auf den digitalen Raum. Der technische Fortschritt verändert unser Leben von Grund auf – damit umzugehen ist Herausforderung genug. Wenn wir die Folgen der Digitalisierung verstehen wollen, dann helfen uns schiefe Metaphern (und irreführende Kampfbegriffe wie der des „Raubkopierers“) nicht weiter.

Hier endete Simons Artikel und die Diskussion auf Twitter begann

Der wohl umfangreichste Hinweis kam von Peter Piksa (@peterpiksa), einem IT-Spezialisten aus Langenfeld. Er hat sich in seinem Blog ausführlich mit den Begriffen Datenklau und Datendiebstahl auseinandergesetzt. Sein Fazit: Es gibt keinen Diebstahl von Daten. Er empfiehlt folgende Formulierungen:

Wenn nicht von “Datendiebstahl” gesprochen werden kann, wie könnte man den Vorgang bezeichnen? Ganz einfach – als genau das, was es ist: “Unrechtmäßiges Kopieren” – möglicherweise in Tateinheit mit dem Straftatbestand “Ausspähen von Daten”.

Ob es diese Bezeichnungen aber noch in die Nachrichtensprache schaffen wird, nachdem „Datendiebstahl“ inzwischen zum (unpräzisen) Schlüsselwort geworden ist? Zweifel sind angebracht – denn Redakteure lieben kurze und prägnante Begriffe:

 

 

(Titelbild: Susanne Peyronnet)

Über udostiehl

Redakteur und Sprecher

Ein Kommentar zu “Datenklau, Datendiebstahl oder ist beides falsch?

  1. Ich liebe süße Tippfehlerchen, und hier das Gewitter ist ganz nach meinem Geschmack: „Kaum hatte ich diesen kleinen Hinweis gewittert, …“

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